Die globalisierte Wirtschaft bringt für Frauen neue Chancen bei der Beschäftigung, sie birgt aber auch zahlreiche Risiken.

Viele Frauen haben ein Einkommen - aber kein Auskommen

Die globalisierte Wirtschaft bringt neue Chancen bei der Beschäftigung, sie birgt aber auch zahlreiche Risiken

VON CHRISTA WICHTERICH

Die Beschäftigungsrate von Frauen steigt weltweit, und zwar schneller als die von Männern. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO nennt dies "Feminisierung der Beschäftigung". Bieten also Marktliberalisierung und Welthandel Frauen mehr Arbeitsmarktchancen als Männern ? Sind Frauen die Jobgewinnerinnen ? Bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn diskutierten Arbeitsmarktexpertinnen über die Chancen von Frauen in Deutschland und in Entwicklungsländern.

Ulrike Detmers, Ökonomieprofessorin und Unternehmerin aus Bielefeld, ist optimistisch: "Die Elite wird tendenziell weiblich". Zwar sind Frauen bisher in nennenswerter Zahl nur ins Mittelfeld von Einkommen und beruflichem Prestige vorgestoßen. Aber Detmers hofft, dass die derzeitige "Verknappung hochqualifizierter Fach- und Führungskräfte" Frauen den Weg in die Chefetagen öffnen wird. Wenn dann noch eine "Liberalisierung der männlichen Rollen" gelingt, damit der Manager auch aktiver Vater sein darf, dann sieht sie Gleichstellungseffekte durch Globalisierung.

Unklar ist jedoch, wie viele Karriere- und Elitefrauen von dieser Entwicklung profitieren können. Und was geschieht mit dem "Rest", der Mehrzahl erwerbstätiger und -suchender Frauen?

Soziale Unsicherheit nimmt zu

Für die gering Qualifizierten und niedrig Entlohnten, so Ingeborg Wick vom Südwind-Institut, hat vor allem die soziale Unsicherheit zugenommen. Zwei Drittel der prekär und ungeschützt Beschäftigten sind Frauen, ebenso zwei Drittel der Belegschaften in den Exportfabriken der Niedriglohnländer. Selbst wenn ihnen die gesetzlichen Mindestlöhne gezahlt werden, wie beispielsweise in Indonesien, reicht dies nicht, um den täglichen Grundbedarf zu decken.

"Neue Chancen gibt es zweifellos für Frauen, aber welche?", fragt Rakawin Leechanavaphisek bitter, die in Thailand Heimarbeiterinnen gewerkschaftlich organisiert. Infolge der Asienkrise und des verschärften Unterbietungswettbewerb mit Billiglohnländern wie China und Vietnam schlossen viele Exportfabriken ihre Tore. 80 Prozent der Entlassenen waren Frauen. Jetzt finden sie nur noch eine informelle Tätigkeit, in Klitschen, als Heimarbeiterin, als Straßenhändlerin oder saisonal als Feldarbeiterin.

Die globale Tendenz zur Informalisierung und Flexibilisierung von Arbeit unterläuft das Tarif- und Arbeitsrecht wie auch die soziale Absicherung. Mini-Jobs und Teilzeitarbeit in Deutschland sind genauso wenig existenzsichernd wie die Heimarbeit der Thailänderin, die Schuhe zusammenklebt. "Geringfügige" Beschäftigung dominiert bezeichnenderweise gerade den Bereich, in dem Frauen die größten Erwerbschancen haben: den Dienstleistungssektor. Außerdem trifft Frauen der weltweite Abbau des öffentlichen Sektors, in dem sie in den vergangenen 30 Jahren Beschäftigungsgewinne machen konnten.

So muss differenziert analysiert werden, wie Gewinne und Verluste für Frauen auf den Erwerbsmärkten verteilt sind, wer neue Chancen bekommt. Fest steht aber, dass auf den liberalisierten Märkten viele Frauen ein Einkommen, aber kein Auskommen und keine soziale Sicherheit erwerben, und dass die Logik des Wettbewerbs und der Kostensenkung eine ungleiche Verteilung von Chancen und eine soziale Spaltung auch zwischen Frauen zur Folge hat.

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Dokument erstellt am 07.05.2004 um 18:40:39 Uhr
Erscheinungsdatum 08.05.2004

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